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Zukünftig sieht man für kleine und große Schmerzpatienten sichere Alternativen zu Opioiden

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Schmerz ist leider ein uns schon lange Zeit begleitendes Problem. Besonders chronische Schmerzen stellen Ärzte vor Herausforderungen. Jahrzehntelang galten Opioide als Goldstandard in der Schmerztherapie. Doch angesichts der Suchtproblematik, der Gefahr von Überdosierungen und massiver Nebenwirkungen beginnt sich das Blatt nun endlich zu wenden, und viele Ärzte besinnen sich auf eine alte Kulturpflanze. In den letzten Jahren hat sich ein regelrechter Paradigmenwechsel vollzogen. Wirkstoffe aus der Hanfpflanze stehen inzwischen im Fokus der Schmerzforscher. Sie gelten vielen als potenziell sicherere Alternative zu Opioiden, generieren aber nur Nebenwirkungen im marginalen Randbereich. Sachsen hat sich in diesem Kontext in den letzten Jahren als überraschend innovationsfreudig im Bereich der Schmerzbehandlung gezeigt. An der Uniklinik Leipzig laufen mehrere Forschungsprojekte dazu. Das Universitätsklinikum Dresden bietet eine Schmerzambulanz an, in der auch Cannabis-basierte Therapien eine Behandlungsoption sind. Dabei arbeitet man eng mit Hausärzten und spezialisierten Schmerzpraxen zusammen. Auch im Chemnitzer Klinikum werden diese Wirkstoffe mittlerweile in Einzelfällen verordnet, vor allem in der Krebstherapie und Neurologie.

Zwischen Hoffnung und Realität

Die medizinische Nutzung der Hanfpflanze hat eine lange Geschichte. Schon in den medizinischen Schriften des alten Chinas wurde sie gegen Schmerzen empfohlen. Im Europa des 19. Jahrhunderts war sie frei in Apotheken erhältlich. Erst mit dem weltweiten „Krieg gegen Drogen“ geriet sie in Verruf. In Deutschland ist medizinisches Cannabis seit 2017 wieder legal und nach ärztlicher Verschreibung auf Rezept erhältlich. Seither steigt auch in der Forschung das Interesse daran. Studien zeigen vielfältige Wirkmechanismen: Die enthaltenen Wirkstoffe beeinflussen das körpereigene Endocannabinoid-System, das an der Schmerzregulation beteiligt ist. Besonders bei neuropathischen Schmerzen, Spastiken, Migräne und chronischen Entzündungen berichten Patienten von einer deutlichen Linderung.

Die dunkle Seite der Opioide

Ein wichtiger Grund für das Interesse an der Hanfpflanze ist das gesunkene Vertrauen in klassische Opioide. Was einst als medizinischer Segen galt, hat sich in Ländern wie den USA zur regelrechten Katastrophe entwickelt. Die Opioid-Krise forderte in den USA in den letzten zwei Jahrzehnten über 500.000 Todesopfer. Auch in Europa mehren sich warnende Stimmen. Opioide wirken stark schmerzstillend, aber auch sedierend und sie machen psychisch abhängig. Besonders für Menschen mit chronischen Schmerzen sind sie oft keine gute Lösung.

Eine mögliche Alternative

Die Wirkstoffe einer Hanfpflanze wirken anders. Sie machen kaum abhängig und führen sehr selten zu Überdosierungen. Vor allem in der Palliativmedizin, der Behandlung von Multipler Sklerose, Rheuma, Fibromyalgie und Krebsschmerzen zeigt sich medizinisches Cannabis als vielversprechende Ergänzung zu klassischen Schmerzmitteln. Es kann nicht nur Schmerzen lindern, sondern auch den Bedarf an Opioiden reduzieren. Ein weiteres Argument: Manche dieser Wirkstoffe lindern nicht nur Schmerzen, sondern auch Ängste, entspannen die Muskeln und hemmen Entzündungen. Gerade bei komplexen Schmerzsyndromen, bei denen psychische und körperliche Komponenten ineinandergreifen, kann das von Vorteil sein.

Kein Wundermittel, aber eine mögliche Therapie

Trotz aller Begeisterung ist auch Vorsicht geboten. Die Wirkstoffe der Hanfpflanze sind kein Allheilmittel und nicht für jede Form von Schmerz geeignet. Akute Schmerzen, etwa nach Operationen, sprechen kaum darauf an. Auch bei sehr starken Tumorschmerzen sind sie kein Ersatz für Opioide. Zudem haben sie Nebenwirkungen: Müdigkeit, Schwindel, trockener Mund, steigender Appetit und in seltenen Fällen Ängste und Paranoia. Besonders bei THC-haltigen Präparaten ist eine individuelle Dosierung unerlässlich. In Sachsen gibt es mittlerweile eine wachsende Zahl an Ärzten, die entsprechende Zusatzqualifikationen erworben haben. Wer nach einem Cannabis Arzt in der Nähe sucht, wird vor allem in Leipzig, Dresden, Chemnitz und Zwickau fündig. Inzwischen haben sich auch einige Apotheken auf die Herstellung individueller Rezepturen fokusiert. Zudem ist Sachsen einer der ersten ostdeutschen Standorte, an denen Vereine für den kontrollierten gemeinschaftlichen Anbau entstehen.

Politischer Rückenwind mit offenen Fragen

Seit der Teillegalisierung von Cannabis zum Freizeitgebrauch im Jahr 2024 steht das Thema auch politisch wieder im Fokus. Doch während die öffentliche Debatte sich oft auf Konsumfragen, Jugendschutz und Grenzwerte konzentriert, rückt der medizinische Aspekt fast in den Hintergrund. Spezialisierte Mediziner fordern eine klare Abgrenzung zwischen Freizeitgebrauch und therapeutischem Einsatz und eine Vereinfachung des bürokratischen Ablaufs bei der Verordnung. Momentan müssen Ärzte umfangreiche Anträge an die Krankenkassen stellen. Diese Hürde schreckt viele ab. Ein weiteres Problem: Die Versorgungslage ist angespannt. Immer wieder kommt es zu Engpässen bei bestimmten Sorten, was die Therapie komplizierter macht.

Und in Zukunft?

Was bedeutet das alles für die Schmerztherapie von morgen? Vieles deutet darauf hin, dass die im Hanf enthaltenen Wirkstoffe einen festen Platz im medizinischen Werkzeugkasten einnehmen werden. Dabei dienen sie als Ergänzung zu klassischen Therapien. Eine zukunftsfähige Schmerzmedizin wird individuell, interdisziplinär und patientenzentriert sein. Sie wird verschiedene Therapieformen kombinieren: Medikamente, Psychotherapie, Bewegung, und Ernährung.

 

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