»Wir beraten hier verhaltensauffällige und persönlichkeitsveränderte Kinder«, erklärt Elke Lieback, Geschäftsführerin des Landesverbandes Thüringen der pro familia, und fügt hinzu: »Diesen Kindern ist gemein, dass ihre Auffälligkeiten in aller Regel auf Gewalthandlungen oder gar sexuellen Missbrauch in der eigenen Familie zurückzuführen sind.« So werden in einem Jahr gut 140 Beratungsanfragen aus Weimar und dem Weimarer Land an die Experten gerichtet und bedürfen derzeit rund 170 Fälle langfristige Betreuungen. »Wenn man bedenkt, dass Weimar und Umland gut 120.000 Einwohner hat, ist das schon eine erschreckend hohe Zahl«, weiß Elke Lieback zu berichten und erklärt weiterführend: »Allerdings ist die Anzahl der betroffenen Kinder in den letzten Jahren immer gleich geblieben. Sie liegt etwa zwischen 140 und 150 Kindern pro Jahr.«
Wie hoch die Dunkelziffer der Opfer sei, die nicht gemeldet werden, könne man nur erahnen. »Bei sexuellem Missbrauch überweist uns die Kripo oder das Jugendamt die Kinder. Dann müssen wir herausfinden, welches Familienmitglied zu dem Kind steht, was nicht immer so einfach ist«, erklärt die Geschäftsführerin. »Bei uns erfahren die betroffenen Kinder im nächsten Schritt alle erdenkliche Hilfe. Zunächst einmal muss natürlich die Gewalt aufhören. Dabei ist wichtig, dass die Täter aus der Familie oder dem sozialen Nahraum genommen werden, nicht die Kinder.«
Darüber hinaus übernimmt der Kinderschutzdienst auch die Gerichts- und Strafbegleitung oder organisiert Treffen zwischen dem nichtgewaltausübenden Elternteil und dem Kind. »Dies ist gerade dann nötig, wenn sich das Elternteil nicht klar zum Kind positioniert«, erläutert Elke Lieback. »Da muss dann auch immer ein Mitarbeiter dabei sein, damit keine Beeinflussung des Kindes stattfinden kann.«
Uns interessiert, ob die Täter eher die Väter oder doch auch die Mütter sind. »Man kann sagen, dass die Männer zum Großteil die Straftäter sind. Die Frauen bzw. Mütter sind oftmals Mitwisser, was eben auch Straftatbestand ist«, weiß die Expertin. »Das Wegsehen von Frauen ist in Deutschland nicht strafbar. Dieses Problem ist für uns besonders schwierig, da die Kinder sich dann von ihren Müttern nicht beschützt oder umsorgt fühlen.«
Natürlich gibt es auch eine Reihe von Präventivveranstaltungen, die von der pro familia organisiert werden. So geht der Verein in die Schulen oder versucht über gezielte Themenveranstaltungen Präventivarbeit zu leisten. So erzählt Elke Lieback: »Wir stehen für ein starkes Selbstbild gerade der Frauen und deren Kinder. Es geht auch darum, den Kindern zu vermitteln, NEIN sagen zu können und die Geheimniskrämerei abzubrechen – viele Täter versuchen ja dem Kind einzureden, dass der Missbrauch ihr „kleines Geheimnis“ sei.«
Dass auf häusliche Gewaltsituationen besonders viel Wert in der Präventivarbeit gelegt wird, verwundert kaum: Die Gewalt, die im sozialen Nahraum der Kinder stattfindet, schlägt mit 86 Prozent aller Verbrechen an Kindern sehr hoch zu Buche. »Da sind Entführungen und ähnliche Straftaten eher die Ausnahme, obwohl gerade diese Taten durch die große Medienpräsenz einem das Gefühl geben, dass die Welt ganz schön gruselig ist«, gesteht die engagierte Frau, die sich dennoch nicht entmutigen lässt. »Ich bin seit 18 Jahren in diesem Beruf tätig und obwohl ich dadurch viel mit Gewalt zu tun habe, habe ich das Lachen nicht verlernt, denn es gibt trotz allem so viel Schönes auf der Welt.«
Sitz des Landesverbandes pro familia
Geschäftsstelle: Erfurter Str. 28, 99823 Weimar
Informationen auch unter www.profamilia.de/thueringen