Die Eule Ferdinand erwachte wie jeden Abend in Ihrer kuscheligen Baumhöhle. Und wie jeden Abend dachte sie:“ Ach wie gern hätte ich einen Freund, mit dem ich auf die Jagd gehen kann!“ Ferdinand putzte kurz noch sein Gefieder und machte sich auf den Weg sein Futter zu suchen. Heute fand er nur ein paar Käfer und Schnecken, gar nicht sein Geschmack! Aber der Hunger wollte gestillt werden.
Im Morgengrauen machte sich Ferdinand ermattet und nur halb gesättigt auf den Heimweg. Da entdeckte er einen kleinen Vogel ganz in der Nähe seines Baumes. Ferdinand sprach zu sich: „Eigentlich bin ich ja müde, aber der kleine Piepmatz ist doch so ein schöner Leckerbissen, kurz vorm Schlafengehen!“ Und er setzte zum Sturzflug an. Das kleine Vöglein erschreckte gar sehr, als es die große Eule auf sich zurasen sah. Noch ganz schlaftrunken hatte es nicht daran gedacht, sich einen passenden Schutz zu suchen. Die wohlig warme Morgensonne hatte es auf einen freuen Ast gelockt. Vor lauter Schreck begann es zu singen. Dies ließ Ferdinand innen halten und statt sich das verlockende Häppchen zu schnappen, landete er auf dem Ast neben dem Singvöglein. Wer bist Du? und warum fliehst Du nicht vor mir? fragte er. „Mein Name ist Isabell und ich bin eine Lerche. Ich singe immer, wenn ich nicht weiterweiß, und du hast mich so erschrocken, dass ich ganz starr wurde vor Angst. Das Singen kam ganz automatisch, antwortete der kleine Vogel. Ferdinand sprach: „Eine Lerche also. Du bist sehr mutig, kleine Isabell! Und Dein Lied hat mich wirklich verzückt, ich werde Dich nicht fressen! Aber sing doch noch ein wenig, dann kann ich gut einschlafen!“ Und so zwitscherte Isabell ihre schönsten Lieder für den großen Ferdinand, bis er fest schlummerte.
Am Abend erwachte die Eule aus ihrem tiefen und diesmal ganz ruhigen Schlaf. Überrascht stellte sie fest, dass Isabell wieder auf dem Ast saß und ihn beobachtete. Geht es Dir gut? Fragte Ferdinand. Alles Bestens! Ich wollte nur sehen, ob Du gut geschlafen hast, erklärte Isabell. Jetzt bin ich müde. Ich habe heute nur wenige Beeren gefuttert und brauche meinen Schlaf, damit ich morgen ein paar Käfer finde. Ferdinand fragte erstaunt: Du frisst auch Käfer? … Dann habe ich eine Idee! Isabell, ich würde mich sehr freuen, Dich morgen früh wieder hier auf diesem Ast zu treffen! Ich verspreche auch Dich nicht zu fressen! Was hast Du vor? Wollte die kleine Lerche wissen, aber Ferdinand war schon in die Abenddämmerung hinausgeflogen.
Am Morgen wartete Isabell wieder an der verabredeten Stelle. Da kam Ferdinand auch schon angesegelt und landete elegant neben ihr. Sie sprach: „Hallo Ferdinand! Schön Dich zu sehen!... Was ist, wieso antwortest Du nicht? Schau mich nicht so an! Du hast doch versprochen mich nicht zu fressen! Sie rückte ängstlich von der Eule ab und war drauf und dran so schnell wie möglich weg zu fliegen.
Da öffnete Ferdinand seinen Schnabel und heraus purzelten lauter dicke schmackhafte Käfer. „Ich dachte, wir frühstücken heute gemeinsam“, sagte Ferdinand. „Obwohl!... Für mich ist das eher ein Gute-Nacht-Snack!“ Jetzt mussten beide herzlich lachen und machten sich sogleich über die knackigen Käfer her. Sogar Ferdinand schmeckten sie diesmal ganz gut.
Und so wurden der Nachtvogel Ferdinand und die kleine Frühaufsteherin Isabell enge Freunde. Morgens sang Isabell die große Eule in den Schlaf und abends begleitete Ferdinand die kleine Lerche sicher zu ihrem Nest, damit sie niemand jagte und sie ihre Nachtruhe genießen konnte.