Müde krabbelt Prinzessin Lavinia aus ihrem Bett und reibt sich verschlafen die Augen. Die Sonne scheint durch das Fenster und es wird höchste Zeit aufzustehen. Rasch zieht sie ihr Kleid an und kämmt ihre braunen Locken. Jetzt fehlt nur noch die goldene Krone, doch der Tisch neben dem Bett ist leer. Wo ist die Krone?
Bekümmert sucht Lavinia im ganzen Schloss. Sie fragt den Koch in der Schlossküche und den Diener ihres Vaters, doch niemand hat die Krone, gesehen. Traurig geht sie in den Schlossgarten. Plötzlich erinnert sie sich, dass sie gestern auf der kleinen Bank zwischen den Rosenbüschen gesessen und in ihrem Märchenbuch die Geschichte vom Froschkönig gelesen hat.
»Vielleicht habe ich meine Krone dort vergessen«, denkt Lavinia und hofft verzweifelt, dass sie Recht hat. Denn eine Prinzessin ohne Krone, ist ja keine richtige Prinzessin mehr. Doch auf der Bank liegt weder die Krone noch das Märchenbuch. »Komisch«, denkt Lavinia, »zuerst verschwindet meine Krone und nun ist auch mein Lieblingsbuch wie vom Erdboden verschluckt.« Eifrig sucht sie die Umgebung ab und schaut hinter jeden Rosenbusch, aber sie findet nichts. Erschöpft lässt sie sich ins weiche Gras fallen. Dabei fällt ihr Blick auf seltsame nasse Spuren, die den Steinweg entlang hinüber zum Fischteich führen. »Vielleicht haben diese sonderbaren Abdrücke etwas mit dem Verschwinden meiner Krone zu tun«, denkt die Prinzessin.
Neugierig folgt sie der Spur, die am Ufer des Teiches endet. »Suchst du mich?«, ertönt auf einmal eine Stimme. Erschrocken geht Lavinia einige Schritte zurück. Auf einem großen Seerosenblatt, nicht weit vom Ufer entfernt, kauert ein dicker, grüner Frosch. Auf seinem Kopf entdeckt sie ihre goldene Krone. Und vor dem frechen Dieb auf dem schwankenden Seerosenblatt liegt das verschwundene Märchenbuch! »Gib mir sofort meine Krone und das Buch zurück!«, ruft sie ihm zornig zu. Der Frosch sieht Lavinia mit großen Augen an und schaukelt aufgeregt auf seinem Blatt hin und her. »Ich bin der Froschkönig und darum gehört die Krone mir«, antwortet er trotzig. Die Prinzessin stutzt, doch dann muss sie lachen.
»Den Froschkönig gibt es doch nur im Märchen«, erklärt sie. »Ich brauche meine Krone ganz dringend, denn ohne Krone bin ich keine richtige Prinzessin mehr.« Der Frosch zögert einen Moment, doch dann rudert er schließlich langsam auf seinem Seerosenblatt ans Ufer. Mit einem großen Satz springt er ins Gras und gibt der Prinzessin traurig die goldene Krone und das Märchenbuch zurück. »Ich habe die Geschichte vom Froschkönig gelesen und wollte so gerne auch einmal ein König sein. Darum habe ich mir deine Krone geborgt. Bitte sei mir nicht böse.« Glücklich setzt Lavinia ihre Krone auf den Kopf und zwinkert dem Frosch zu. »Vielleicht bist du ja der verzauberte Prinz aus meinem Märchenbuch?« Behutsam nimmt sie den Frosch auf die Hand und gibt ihm einen leichten Kuss, bevor sie ihn wieder auf das Seerosenblatt setzt. »Ich bin gespannt, was jetzt geschieht«, denkt Lavinia und schließt ihre Augen. Dann zählt sie langsam bis drei.
Als sie nach einer Weile ihre Augen wieder öffnet, ist der Frosch verschwunden. »Vielleicht hat der kleine Kerl sich ja wirklich in einen Prinzen verwandelt«, überlegt sie und sieht sich suchend nach allen Seiten um. Plötzlich entdeckt sie ihn. Der dicke Frosch ist auf seinem Seerosenblatt schnell auf den Teich hinaus gerudert, um sich im dichten Schilf zu verstecken. Als er sieht, dass Lavinia ihn beobachtet, springt er übermütig von einem Bein auf das andere und landet schließlich kopfüber im Wasser.
»Ein Prinz ist aus dir leider nicht geworden, aber dafür habe ich jetzt einen frechen Froschkönig zum Freund«, ruft die Prinzessin ihm freundlich hinterher.